Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt e.V.

Mahnwache am Mahnmal für die zerstörte Orthodoxen Synagoge

Am 20. Juni wurde das Mahnmal für die Orthodoxe Synagoge in der Bleichstraße geschändet. Es wurden zwei große Hakenkreuze auf die Gedenktafel gesprüht und die Parole „Free Palestine“ in den Davidstern auf dem Boden geritzt. Mitten in unserer Stadt! Schon wieder! Erst im Oktober 2024 war das Mahnmal geschändet worden.

Die GCJZ Darmstadt rief darauf hin spontan zu einer Mahnwache auf, die am 22. Juni um 11:30 Uhr vor Ort stattgefunden hat. Die Evangelische Vorsitzende Ulrike Schmidt-Hesse und der Katholische Vorsitzende Bernd Lülsdorf sprachen auf dieser Mahnwache. Der Text der Rede ist hier wiedergegeben:

„Hier stand die Orthodoxe Synagoge, die am 9. November 1938 von Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Gedenkstein erinnert an eine Klagemauer. Er wurde 1983, also 25 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge, eingeweiht. Durch das Fernrohr hier können Sie die Rekonstruktion der Synagoge ansehen.

Am Freitag wurde festgestellt, dass dieser Gedenkstein mit zwei großen Hakenkreuzen beschmiert worden war. In den Davidstern am Boden wurde die Parole „Free Palestine“ geritzt.  Dass dies in unserer Stadt geschieht, ist beschämend.

Als Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt verurteilen wir diese Tat aufs Schärfste. Wir stellen uns gegen jede Form von antiisraelischer und antisemitismustreibender und rechtsextremer Rhetorik. Wir beklagen die durch diese und andere Taten und Worte offenkundige Verrohung unseres Zusammenlebens. Wir hoffen, dass die Verantwortlichen dieser abscheulichen Tat gefasst und zur Rechenschaft gezogen werden. Wir stehen fest an der Seite der jüdischen Gemeinschaft.

Wir fragen uns: Was geht in den Köpfen und Herzen der Menschen vor, die das Mahnmal geschändet haben?

Wissen sie nicht, was Nationalsozialismus bedeutet? Für Jüdinnen und Juden? Für andere Menschen, die als ‚anders‘ definiert werden? Am Ende für alle in dieser Gesellschaft? Oder ist es ihnen egal, nach dem Motto „gemeinsam in den Abgrund“? Der Sache der Palästinenserinnen und Palästinenser dient eine solche Aktion auch nicht. Im Gegenteil.

Wir erleben mit Schrecken, dass Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus sich dramatisch ausbreiten – in allen Milieus unserer Gesellschaft.  

Viele jüdische Männer, Frauen und Kinder fühlen sich nicht mehr sicher in unserem Land. Es fehlt oft an Mitgefühl und Solidarität angesichts des Judenhasses. Das muss uns mehr denn je herausfordern zum Handeln.  Jüdinnen und Juden sind Teil unserer Stadtgesellschaft. Sie sollen hier leben können ohne Angst. Wir gehören zusammen.

  Viele Menschen fragen: Was kann ich machen? Wir sagen: Geht zu Kundgebungen oder Informationsveranstaltungen. Widersprecht antisemitischen Äußerungen in Alltagsgesprächen und in den sog. sozialen Medien. Redet mit Jugendlichen über das Massaker des 7. Oktober und den dadurch ausgelösten Krieg. Beteiligt euch an Veranstaltungen der jüdischen Gemeinde und zeigt eure Unterstützung – und gemeinsam fällt uns noch mehr ein.

Die Frage treibt uns sehr um, wie wir als Organisationen und Einzelne mit unseren jeweiligen Möglichkeiten Mitgefühl und Solidarität fördern und wie wir beides noch stärker zum Ausdruck bringen können.

Wir finden es sehr beunruhigend, dass es trotz all unseres bisherigen Engagements gegen Antisemitismus in der Erziehung zur Demokratie, in der Erinnerungsarbeit, in der politischen Bildung weiterhin bzw. verstärkt Judenhass gibt, in alten und in neuen Gewändern.

Was können wir tun? Zusammen mit den genannten Aktivitäten sehen wir drei Hauptpunkte.

Erstens: Es kommt darauf an, dass wir einander als Menschen sehen, Menschen, die verschieden sind und dabei gleichwertig. Es kommt darauf an, dass wir Menschen sind, die Anteil nehmen am Leiden anderer und ihnen zur Seite  stehen. „Sei ein Mensch“. Diese Grundhaltung und diese Praxis brauchen wir.

Zweitens: Wir brauchen gute Gespräche und Diskussionen zu unserem Miteinander in Deutschland und zur Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten, im Iran und im Nahen und Mittleren Osten insgesamt. Gespräche und Diskussionen mit Juden, Christen, Muslimen, mit Personen anderer oder ohne Religionszugehörigkeit, mit Menschen in unterschiedlichen sozialen Lagen, mit und ohne Migrationsgeschichte. Gespräche, in denen unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven respektvoll ausgetauscht werden. In denen wir Anteil nehmen am Leiden der Menschen in den verschiedenen Ländern.

Und drittens kommt es darauf an, dass wir alle sehen, dass wir Handlungsmöglichkeiten haben – gerade in einem demokratischen Staat wie unserem. Wir können etwas tun gegen Hass und Hetze, gegen Gleichgültigkeit und Polarisierung. Es kommt auf jede, auf jeden von uns an.

Wir werden uns als GCJZ mit all unserer Kraft weiter engagieren gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus und für Demokratie. Und wir bitten auch Sie: Bleiben Sie dran! Es gilt, der jüdischen Gemeinde und Gemeinschaft auf vielfältige Weise zu zeigen: Wir stehen an Eurer Seite. Es gilt, unsere Demokratie zu schützen und Recht und Würde aller zu achten.“