Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt e.V.

Zum 7. Oktober:  Trauer – Klage – Bekräftigung – Hoffnung

Beitrag auf der Kundgebung am 5.10.25 in Darmstadt

Meine Damen und Herren,

wir sind hier versammelt, um der Opfer des Massakers der Hamas in Israel vor zwei Jahren zu gedenken.

Ich werde keine Rede halten, sondern ich möchte mit  Ihnen Worte der Trauer und der Klage, der Bekräftigung und der Hoffnung teilen.

Ich konzentriere mich dabei auf das Leid und den Schmerz der Menschen, die unter dem Terrorangriff und seinen Folgen gelitten haben und bis heute leiden.

Dabei spreche ich in der Wir-Form. Dies ist zunächst das Wir der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt, für die ich spreche. Ich hoffe, dass Sie in viele meiner Sätze innerlich einstimmen können.

Moment der Stille

Wir gedenken der Opfer des brutalen Massakers der Hamas und anderer Terrorgruppen in Israel am 7. Oktober vor zwei Jahren.

Es war Simchat Tora, ein heiteres Fest am Ende des Laubhüttenfestes; es war Schabbat, als in den frühen Morgenstunden das Grauen begann.

Wir trauern um die mehr als 1.200 Männer, Frauen und Kinder, die beim Nova-Festival und in Kibuzzim in der Nähe der Grenze zu Gaza und an anderen Orten im Süden Israels gequält und ermordet wurden.

Überlebende haben von entsetzlichen Gräueltaten berichtet, an Kindern, an Frauen, an Männern. Die Kämpfer der Hamas und anderer Terrorgruppen verübten massive geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt, v.a. an Frauen, aber auch an Männern.

Wann erschrickt der Mensch über sich selbst?

Die meisten der Ermordeten waren aus Israel. Die meisten waren Jüdinnen und Juden. Unter den Opfern waren darüber hinaus Menschen aus vielen anderen Nationen, so auch Landarbeiter aus Thailand und Nepal. Arabische Beduinen waren unter ihnen, Muslime und Angehörige anderer Religionen. Unter den Ermordeten waren 859 Zivilpersonen, 322 Soldatinnen und Soldaten und 58 Polizistinnen und Polizisten.

So viele Tote. So viele Lebensfäden zerrissen.

Wir klagen: Durch den Terrorangriff wurden an einem einzigen Tag mehr als 5 000 Menschen in Israel verletzt.

Wir klagen: Mehr als 240 Menschen wurden als Geiseln genommen und nach Gaza entführt, Säuglinge, Kinder, junge und alte Männer und Frauen. Einige Geiseln konnten inzwischen frei kommen, andere sind in der Gefangenschaft gestorben. 48 Menschen befinden sich  immer noch in den Händen der terroristischen Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen.

Viele Angehörige sind voller Schmerz, Wut, Fassungslosigkeit darüber, dass die Geiselhaft immer noch andauert.

730 Tage in Geiselhaft. Wie halten Menschen das aus?

Wir bekräftigen: Die Geiseln müssen sofort frei gelassen werden.

Wir trauern um die Männer, Frauen und Kinder, die in der Geiselhaft ermordet wurden oder die aufgrund der grausamen Bedingungen starben.

Jeder Einzelne ein einzigartiger Mensch. Jede Einzelne fehlt.

Was die Menschen am 7. Oktober erlitten haben, ist kaum vorstellbar. Der Schmerz ihrer Angehörigen und Freunde ist kaum zu ermessen – und er dauert an. Der 7. Oktober ist, gerade  auch für die Familien der immer noch festgehaltenen Geiseln, nicht vorbei.

Wir beklagen das unendliche Leid dieser Menschen. Ein Abgrund hat sich vor ihnen aufgetan.

Wir trauern mit den Angehörigen aller Ermordeten und Entführten.

Wir trauern mit der jüdischen Gemeinde und Gemeinschaft in Darmstadt, in Deutschland, in Israel und in anderen Regionen unserer Erde.

Jeder Mensch trägt eine ganze Welt in sich.

Wir fragen: Kann die Anteilnahme nicht-jüdischer Menschen diesem Leid gerecht werden?  

Viele Jüdinnen und Juden sind tief enttäuscht darüber, dass sie in ihrem Schmerz und Entsetzen nicht mehr Anteilnahme erfahren haben und erfahren. Das treibt uns um – dieses ‚uns‘ ist nun eines der Nicht-Jüdinnen und -Juden.

Wir bekräftigen deshalb hier und heute: Wir nehmen Anteil. Wir stehen zu Ihnen, zu Euch als Einzelne und zur jüdischen Gemeinde und Gemeinschaft. Wir sind da. 

Wir nehmen wahr, dass das Massaker für viele Jüdinnen und Juden eine große Erschütterung ausgelöst hat im Blick auf Israel als ihren Zufluchtsort. Am 7. Oktober konnte der Staat seine Bürgerinnen und Bürger nicht schützen.

Wir nehmen wahr, dass die Gräueltaten des Massakers vielfach auf Video dokumentiert wurden. Zugleich hat die Hamas eine massive Desinformationskampagne durchgeführt, die viele Menschen weltweit dazu verleitet, die Fakten nicht anzuerkennen.

Demgegenüber sagen wir: Wahrzunehmen, was Menschen in Israel am 7. Oktober angetan wurde und was das Massaker in der Folge ausgelöst hat, zerreißt uns das Herz.

Jeder Mensch ist einzigartig. Jedes Menschenleben ist kostbar.

Wir beklagen, dass der Antisemitismus seit dem Massaker der Hamas in erschreckendem Ausmaß zugenommen hat. Jüdinnen und Juden in Deutschland und auf der ganzen Welt werden beleidigt, bedroht und verletzt. Auch hier bei uns machen jüdische Jugendliche und Erwachsene Erfahrungen von Beleidung und Bedrohung.

Wir bekräftigen: Jeder antisemitische Vorfall ist einer zu viel. Wir stellen uns jeder Erscheinungsform von Antisemitismus entgegen. Es gibt keine Rechtfertigung für Judenhass. Wir werden uns jeden Tag dafür einsetzen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland frei und sicher leben können.

Wir bekräftigen unsere Überzeugung, dass wir in unserer Stadt und darüber hinaus als Menschen unterschiedlicher Religionen, Herkünfte und Lebensweisen in Respekt und Solidarität zusammenleben können.

Wir bekräftigen unsere Hoffnung, dass es den politisch Verantwortlichen aller Seiten im Nahen Osten gelingen möge, Hass und Gewalt zu überwinden und ein friedlicheres und demokratisches Miteinander aller in der Region zustande zu bringen, vom Libanon bis Gaza, von Tel Aviv bis Teheran. Wir hoffen, dass das prophetische Wort sich verwirklicht und Gerechtigkeit und Frieden sich umarmen.

Wir sind gewiss, dass der Mensch nicht des Menschen Wolf sein muss, sondern dass wir einander Helfer sein können, Hüterin, Mitmensch.

Wir werden den Glauben an das Leben in all seiner Schönheit und Zerbrechlichkeit nicht verlieren.

Wir werden die Liebe zu den Menschen hochhalten, unsere Fähigkeit zu Empathie und Solidarität, unsere Kraft, dem Bösen zu widerstehen.

Wir werden unsere Hoffnung auf Frieden für alle nicht aufgeben – trotz alledem.

Ulrike Schmidt-Hesse, Ev. Vorsitzende der GCJZ Darmstadt