Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt e.V.

Vogler und Meyerbeer in Darmstadt

Rede des geschäftsführenden Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt, Godehard Lehwark, zum 225. Geburtstag des Opernkomponisten Giacomo Meyerbeer am 5. September 2016
© C.G. Lehwark

Wir stehen hier vor dem Abt Vogler-Denkmal, das 1890 in Gegenwart des Großherzogs Ludwigs IV. (gest. 1892) eingeweiht worden ist – das Denkmal war seit Anfang der 1860er Jahre geplant worden. Für das Denkmal war fast dreißig Jahre lang gesammelt bzw. waren Benefizkonzerte veranstaltet worden. Angesicht dieser in Darmstadt allzu gut bekannter Zeitspanne soll der Großherzog gesagt haben: „Was lange währt, wird gut!“.

Oben sehen wir die von einem Dresdner Künstler (Henze) geschaffene Bronzebüste von Georg Joseph Vogler, in Darmstadt Abbé genannt. Er war ein katholischer Priester, wirkte als Komponist und Orgelvirtuose, Orgeltüftler, Musiktheoretiker, Kompositionslehrer. Er war ein gefürchteter Orgelimprovisator – spielte so lautmalerisch, wie Gewitter und Kriegsgedonner (-getöse) auf der Orgel, so dass mancher um die so kräftig bespielte Orgel Angst hatte. Vom Orgelspielen spricht man bekanntlich als vom „Schlagen“ der Orgel. Dieser Begriff „Schlagen der Orgel“ hätte für Voglers Orgelspiel einen noch euphemistischen Klang. Er traktierte bei seinen Orgelkonzerten, deren Programme hauptsächlich von seinen Improvisationen bestimmt waren, so heftig die Orgeln, dass so mancher Pfarrer um die Orgel seiner Gemeinde fürchtete und Vogler für seine Kirche Auftrittverbot erteilte (so z.B. in Mainz). Voglers Büste ist nach einem Bild von Joseph Hauber aus der Großherzoglichen Gemäldegalerie geschaffen (ob es noch existiert, kann ich nicht sagen!).

Die Werke Voglers sind weitgehend in Vergessenheit geraten. In den nordischen Ländern aber wird bis heute zu Weihnachten ein „Hosiannah Davids Sohn“ gesungen. Dieses schwungvoll-melodisches Weihnachtslied, das in Schweden sehr bekannt ist, hatte Vogler 1795 komponiert, als er Musikdirektor am schwedischen Königshof war (König Gustav III.). Auf „youtube“ finden Sie verschiedene Einspielungen dieses Liedes. Nachdem Vogler 1799 in die deutschen Territorien zurückkehrt war, wurde er schließlich 1807 als Geheimer Geistlicher Rat von Großherzog Ludewig I. – dem langen Lui – an den Hof nach Darmstadt berufen. Das große Verdienst Voglers – so ein Autor im Darmstädter Tagblatt aus dem Jahr 1905 – lag in seinem Wirken – Zitat – „als Lehrer ruhmvoller und unsterblicher Komponisten“ (so der damalige Schreiber des Artikels über „Abt Vogler und seine Schüler“).

Schon 1804 war Vogler auf den dreizehnjährigen Meyer Beer aufmerksam geworden, als dieser in Berlin ein Konzert gab. Nicht nur die finanziellen Mittel einer reichen jüdischen Kaufmanns- und Bankiersfamilie reizten Vogler, Beer als seinen Schüler aufzunehmen, sondern auch das große musikalische Talent, seine ans Wunderbare grenzende Technik begeisterte den geistlichen Herrn. Ab Mitte April 1810 studierte Meyer Beer fast zwei Jahre lang bei Vogler und erhielt bei ihm Kompositionsunterricht. (Mitte April 1810 bis 9.3.1812, so Henze). Er wohnte bei seinem Lehrer im Haus. Dabei partizipierte der junge Meyer Beer sicherlich auch an den zwei Flaschen Wein, die der Großherzog Vogler täglich ins Haus bringen ließ, wenn dieser nicht am Hofe zu Mittag speiste. Nahm er dort jedoch sein Mittagessen ein, dann bekam er nur eine Flasche Wein mit auf den Weg.

Mit Meyer Beer nahmen neben anderen zwei weitere, später bedeutende Komponisten ihren Unterricht bei Vogler auf: Carl Maria von Weber und Johann Baptist Gänsbacher. Gänsbacher blieb aber nur ein Vierteljahr. Der ziemlich mittellose Weber wohnte zunächst in der Altstadt, in der Ochsengasse, beim Metzger Klein, dann aber auch im Haus von Vogler hier am Mathildenplatz 1 (Laudauschen Haus, Darmstädter Tagblatt vom 22.2.1905).

Das Medaillon auf der linken Seite soll das Konterfei von Carl Maria von Weber sein, (bei seinem Namen fallen uns seine wohl bekanntesten Werke ein wie: die Opern „Freischütz“ (1821) (mit angeblich vielen Motiven, die Weber beim Erlauschen der Volkslieder kennengelernt hat, die er in Gasthäusern Darmstadts und Umgebung aufgeschnappt hat; dann die Opern , „Euryanthe“ (1823) und „Oberon“ (1826).

Das rechte Medaillon erinnert an Giacomo Meyerbeer, an das heutige Geburtstagskind. Von Geburt hieß es Meyer mit Vornamen und Beer mit Nachnamen. Wohl seit seiner Darmstädter Zeit zog Meyer Beer seinen Vor- und Nachnamen zum Künstler- und Familiennamen Meyerbeer zusammen. Er nahm den Vornamen Jacob an, und nannte sich während seines Italienaufenthalts in den Jahren 1816 bis 1824 Giacomo. 10 Jahre nach seinem Darmstädter Aufenthalt wurde ihm das Tragen des Familiennamens Meyerbeer behördlich genehmigt (das war im Januar 1822).

Auf Giacomo Meyerbeer will ich hier nicht im Einzelnen eingehen, da wir ja am Dienstag (27.) eine Veranstaltung zu seinem 225. Geburtstag durchführen. Zu dieser Veranstaltung finden Sie einige Informationen in unserem Veranstaltungsflyer.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass Meyerbeer als Jude in der Zeit des Nationalsozialismus verfemt galt. Seine Person wie seine Kunst galten als abartig. Daher war sein Medaillon von den Nazis entfernt worden. Stattdessen fügte man hier ein anderes Medaillon ein, wohl eines mit dem Gesicht von dem bereits erwähnten weiteren Vogler-Schüler Johann Gänsbacher. (* 1778 in Sterzing /Südtirol – 1844 Wien).

Die beiden unten genannten Künstler sind – wie gesagt – in Darmstadt Schüler des oberen Herrn gewesen. Sie nannten ihren Lehrer Papa oder gar Großpapa und hatten fast familiäre Beziehungen zu ihm. Das galt vor allem für Giacomo Meyerbeer, denn er wohnte mit Vogler zusammen im Haus Birngarten 14. Das Haus stand unweit von hier, etwa dort, wo das heutige 2009 errichtete Empfangsgebäude Karo 5 der TU. Zwischen den Fahnenstangen des Hotels Welcome erinnert eine Tafel an das Haus Birngarten 14, „in dem – Zitat – die Musiker Wolfgang Carl Briegel (1626 – 1712), Georg Joseph Vogler (1749 – 1814), Giacomo Meyerbeer (1791 – 1864) zeitweilig lebten und wirkten“. Den Genannten sind die jeweiligen Zahlen ihres Geburts- und Todesjahrs zugefügt.

Sabine Henze-Döhring und Sieghart Döhring schreiben in ihrem Buch über Meyerbeer, dass für seine „Entwicklung weitaus wichtiger (als sein Lehrer Vogler) seine damaligen Mitschüler Carl Maria von Weber, Gottfried Weber und Johann Gänsbacher (waren), denen er freundschaftlich verbunden blieb. Ende 1810 gründeten die vier … völlig unabhängig von ihrem verehrten ‚Papa’ Vogler – den ‚Harmonischen Verein.’ Dabei handelt es sich um eine Art Geheimbund, der ganz – im Sinne heutigen Marketings – … die Förderung der eigenen Musikrichtung und die Propagierung der Werke seiner Mitglieder in einschlägigen Publikationsorganen zum Ziel hatte. Die Freunde gaben sich bizarre Pseudonyme und vereinbarten absolute Vertraulichkeit. Carl Maria von Weber nannte Meyerbeer in dieser Zeit ‚meine einzige Stütze.’“ (S. 11).

Vorderseite des Denkmals: eine Leier mit zwei griechischen Flöten.

Auf der Rückseite des Denkmals stehen die Widmungsworte: „Dem vorzüglichen Tongelehrten und Lehrer berühmter Tondichter, Abt Vogler, geb. zu Würzburg am 15.6.1749, gest. zu Darmstadt am 6. Mai 1814. Errichtet von dem Kölner Männergesangverein und Darmstädter Kunstfreunden 1890.“

Dass der Kölner Männergesangverein zu den Begründern dieses Denkmals zählt, ist wohl etwas überraschend. Nun dieser Gesangvereine weilte 3 mal zu einem Konzert in Darmstadt; zweimal im „ausgeräumten Orangeriegebäude im Bessunger Herrngarten“ und einmal nach seiner Errichtung im Saalbau.

Bei der Beerdigung Voglers war keiner seiner Schüler anwesend. Nur Carl Maria von Weber soll 1826 – kurz vor seinem Tod das Grab seines Lehrers aufgesucht haben, bevor er zur Erstaufführung seines „Oberon“ nach London abreiste, wo er verstarb.

Den 3 Herren, deren Bildnis wir hier sehen, ist gemein, dass ihrer nicht nur in Form dieses Denkmals in Darmstadt erinnert wird, sondern dass nach ihnen auch jeweils eine Straße benannt worden ist und zwar im Komponistenviertel:

Den Vogler- und den Weberweg gibt es seit 1918, seit also fast einhundert Jahren, den kleinen Meyerbeerweg führt die Stadt Darmstadt erst seit 40 Jahren in ihrem Straßenverzeichnis. Interessant ist, dass man den Straßen nur den Nachnamen der Künstler gegeben hat – ohne ihren Vornamen, wie auch sonst im Komponistenviertel. Nur die 1933 nach Richard Wagner benannte Straße erhielt den vollen Namen ihres Patrons.

Der langen Rede kurzer Sinn:
So wollen wir Giacomo Meyerbeer, der eigentlich Meyer Beer hieß, hochleben lassen.

Wir gratulieren wir Dir, lieber Giacomo Meyerbeer, auf das Herzlichste zu Deinem 225. Geburtstag. Ein langes Leben können wir Dir nicht mehr wünschen, da Du bereits über 150 Jahre tot bist. Aber wir wünschen Dir, dass Du und Deine Kunst nicht in Vergessenheit geraten, dass sich viele, Musikliebhaber wie Musikschaffende, Deiner immer wieder erinnern.
Prost!